Fünf Tage Istanbul – fünf Tage reinschnuppern in eine andere Kultur, wovon nur ein Bruchteil in Deutschland ankommt.

Die Twitter-Zensur
Die Türkei war gerade wieder in den deutschen Schlagzeilen, als wir gemütlich beim Frühstücken in dem kleinen Hotel nähe der Blauen Moschee saßen: „Schon gehört? Twitter wurde gesperrt.“ Erdoğan hat es durchgezogen. Laut deutschen Medienberichten ließ er die Sperre veranlassen, um die Weiterverbreitung illegal mitgeschnittener Telefonate zu stoppen – dass so eine Problemlösung immer hervorragend funktioniert, ist schließlich allgemein bekannt. Richtig klasse fand ich die Reaktion der türkischen Twitternutzer: mal eben die Anleitung zur Umgehung der Sperre an eine Hauswand gesprayed oder auf den Geldschein geschrieben.

Es gibt angeblich die kleine Grundregel, mit Türken nie über ihre Politik zu sprechen. Am Samstagabend haben wir das mal dezent gebrochen und uns mit dem Besitzer einer Bar über die Twitter-Zensur unterhalten: er ist Anfang 30, aus dem Osten des Landes nach Istanbul gezogen, hat seinen kleinen Bruder (14) nachgeholt, weg von der restlichen Familie. Inzwischen mit einer Engländerin verheiratet und seit fünf Wochen stolzer Vater einer Tochter. Er findet die Zensur nicht schlimm; über die Plattform seien bewusst rufschädigende und auch gefälschte Fotos verbreitet worden, um Politiker in ein schlechtes Bild zu rücken. Wenn Twitter sich bereit erklärt, das zu löschen, wird die Zensur ja sofort wieder aufgehoben.
Ich habe geglaubt, einen bekennenden Erdoğan-Wähler gegenüber zu haben. Aber bevor wir unsere Unterhaltung wieder unpolitischen Themen widmeten, schloss er ab, niemals zu auch nur einer einzigen Wahl gegangen zu sein. Die machen ihr Ding, er macht seins. Solange das funktioniert, hat er kein Problem.
Tourismus
Das in Istanbul irgendwie jeder so sein Ding macht, merkt man spätestens dann, wenn man über den Sultan Ahmet Parkı läuft: eine Heerschar unzähliger kleiner Stände und einzeln agierender Verkäufer von biebergünstigen Bosporus-Boots-Touren (am Hafen werden die gleichen Tickets für die Hälfte verkauft), bei dem der deutsche Beamte vom Ordnungsdienst wohl erstmal in Reha müsste, würde das hier in München auch so laufen.

Wegweiser mit eher grob geschätzter Richtungsangabe
In diesem Viertel sind viele Sehenswürdigkeiten an einem Ort: Sultan Ahmet, der Versunkene Palast, Basare und viele Restaurants und Cafés.
Unglaublich viele Menschen haben es sich zu ihrem Geschäft gemacht, Touristen anzusprechen und ihnen Reiseführer, Eintrittskarten und Co. zu verkaufen. Kann man nervig finden, dem Eindruck der Wohlfühlstadt Istanbul tat dies jedoch keinen Abbruch. Ignorieren und weitergehen ist die einfachste und beste Lösung.
Impressionen
Istanbul lässt sich eigentlich nur mit einem Wort beschreiben: gigantisch. Sowohl von den Abmessungen, als auch vom Verkehrsaufkommen, den Sehenswürdigkeiten und dem Erholungsfaktor. Die Stadt bietet unglaublich viele Facetten und wirkt, als würde es die Balance zwischen Tradition und Moderne sehr gut meistern.

Zeit für Çay – und SMS
Was mir in Istanbul krass aufgefallen ist: in sämtlichen Läden – ganz gleich ob Restaurant, Kiosk, Saftpresser, Tourguide, Bazar oder Handyverkäufer: nahezu ausschließlich Männer. Wir wurden genau ein einziges mal von einer Frau bedient. Zwar wird die Gleichbehandlung in der Türkei weiter vorangetrieben, doch das traditionelle Wesen, dass der Mann für’s Geld verdienen zuständig ist, scheint dort noch weit verbreitet.

Mindestens fünf mal am Tag: Çay
Jeder von ihnen sprach ausreichend gutes oder sehr gutes Englisch, alle waren sehr offen, freundlich und zuvorkommend.
Stark auf den boomenden Tourismus eingestellt, wird diese Stadt in der Zukunft ein noch stärkerer Besuchermagnet werden.
Istanbul weiß, wie man Touristen anlockt und dafür sorgt, dass sie wieder kommen. Ich bin gespannt auf den nächsten Besuch in dem Land.
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Hinterhof-Atelier mit genialen Kunstwerken
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Stühle auf der Straße gehören zum Stadtbild
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Touristen steigen ein und zahlen, die Einheimischen springen einfach hinten auf
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