Briefkastenwerbung
Um es schon einmal vorweg zu nehmen: Ja, ich mag Werbung! Aber nur die Erwünschte. Nur solche, die nicht an meinen Nerven zehrt, die nicht meine Toleranzgrenze bis aufs Äußerste strapaziert (tolerieren kommt ja bekanntlich aus dem Lateinischen tolerare und bedeutet ertragen / erdulden; aber das nur am Rande). Worüber ich mich ärgern könnte (und hier sind wir schon beim prognostizierten Granteln), ist die Vielzahl an Werbung, die diese Woche wieder meinen Briefkasten zugemüllt hat. Zwar steht, wie ich finde, in durchaus großen und deutlich lesbaren Buchstaben, drauf, dass ich weder Werbung noch Anzeigenblätter wünsche, doch scheinen die Verteiler davon sichtlich unbeeindruckt.
Um was es mir geht
Egal wo ich bin, werde ich mit Werbung bombardiert. Daran hat sich der moderne Mensch gewöhnt, filtert, blendet aus, ignoriert, nimmt es un(ter)bewusst wahr. Wenn ich nach Hause komme und meinen Briefkasten öffne, möchte ich nicht mehr filtern müssen. Ich will nur das drin haben, was ich brauche, was mich betrifft. Kein unnötig verschwendetes Papier, das aufwändig bedruckt, verpackt, verschickt, ausgepackt, verteilt und genervt weggeschmissen wird. Und das habe ich eindeutig gekennzeichnet: „BITTE keine Werbung und keine Anzeigenblätter“. Oder liege ich hier einem Irrtum auf, brauche ich doch das hässliche STOP-Schild und den unfreundlichen Aufruf: „KEINE WERBUNG!“?

Kein geeigneter Werbeplatz für Unternehmen: mein Briefkasten
Fakt ist: diese Werbung dürfte nicht im Briefkasten liegen. Ich habe das gekennzeichnet, diese Tatsache ist für die Unternehmen natürlich blöd, aber sie haben sich daran zu halten. Auch aus Fairnessgründen gegenüber den Unternehmen, die dann keine Werbung einwerfen. Denn wenn sie trotzdem Werbung einwerfen, erlangen sie einen Wettbewerbsvorteil, wie es so schön im Juristendeutsch heißt. Und davon gibt es jetzt noch mehr, denn ich habe heute Zeit und wehre mich.
Die Rechtslage
Wer kurz den Suchmaschinengiganten bemüht wird natürlich schnell fündig, denn das Problem ist ja keines, das nur ich habe oder recht neu wäre. Schön erklärt wird es mit einem umfangreichen Artikel auf 123recht.net, der auch die nötigen Aktenzeichen zu einem wichtigen Urteil des BGH mit beinhaltet. Zwar dort nicht verlinkt, aber im Netz natürlich leicht auffindbar: Aktenzeichen VI ZR 182/88
Ein Urteil aus dem Jahre 1988 also, das mir im Sonntags-Kampf gegen unerwünschte Werbung zur Seite steht. Im Folgenden nun einige Zitate aus dem Urteil (Hervorhebungen von mir):
„[…] Zwar sei die Werbung mit Handzetteln durch Einwurf in Briefkästen grundsätzlich zulässig und zumutbar. Das ändere sich aber, wenn – wie hier – der Empfänger einer solchen Werbung ausdrücklich widerspreche. Werde die Briefkastenwerbung trotz einer solchen Willensäußerung fortgesetzt, dann bedeute dies eine Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen und damit die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Diesem Recht gebühre hier der Vorrang vor dem Interesse der Beklagten an der Werbung zur Absatzsteigerung und auch vor dem Interesse anderer potentieller Kunden an Informationen über das Leistungsangebot des Werbenden. […]“
Auf gut deutsch: Aufkleber auf dem Briefkasten -> Werbung einwerfen verboten.
Nun ist es inzwischen aber natürlich üblich, die Verantwortung zusammen mit der Arbeit auszulagern, Sub-sub-sub-Unternehmer übernehmen die Verteilung, Pizzadienst x und Laden y haben damit ja rein gar nichts und überhaupt nix mit zu tun. Die Ausrede a la „Wir geben das an unsere Verteiler und die haben ja die Anweisung, die Aufkleber zu beachten. Wenn die das nicht machen, können wir ja nichts dafür“ scheint vorprogrammiert. Doch in der Urteilsbegründung heißt es weiter:
„[…] Obwohl die Beklagte die Handzettel nicht selbst verteile, sondern durch ein Werbeunternehmen einwerfen lasse, sei sie als mittelbare Störerin für die Unterlassungsansprüche des Klägers die richtige Adressatin. Sie habe die Werbefirma beauftragt, erteile ihr Weisungen und könne ihr auch kündigen; daraus folge, daß ihr das Verhalten dieses Unternehmens zuzurechnen sei. […]“
Das sitzt. Ich folgere also aus dem Urteil: ich bin im Recht. Schön. Und trotzdem habe ich in den letzten drei Tagen vier Werbeprospekte aus meinem Briefkasten gefischt.

Unerwünschte Werbung statt Rechnungen und heißer Liebesbriefe: mein Briefkasten
Mein Sonntags-Kampf
Es folgt also mein zweiter Schritt (der erste war das Anbringen des Aufklebers): eine freundliche, aber bestimmte Nachricht an jedes der Unternehmen, die mir unerwünscht Werbung zukommen haben lassen. Sollte ich (wovon ich leider ausgehe) keine Antwort per E-Mail bekommen, muss ich auf ein Einschreiben zurückgreifen, wie bei 123recht.net empfohlen. Denn dann ist mein erneuter Widerspruch rechtmäßig zugegangen und erlaubt mir, sollte ich meinen Sonntags-Kampf fortführen wollen, die rechtliche Grundlage für eine Abmahnung (wobei ich trotzdem der Meinung bin, dass sich solche dämliche Angelegenheit ohne Anwalt regeln lassen sollte).
Erwünschte Werbung
In den letzten 700 Wörtern habe ich mich also damit beschäftigt, Werbung zu unterbinden. Doch Unternehmer sind darauf angewiesen, die Menschen über ihre Produkte und Dienstleistungen zu informieren. Sie wollen Geld verdienen und leben vom Verkauf. Mit den klassischen Wegen über den Briefkasten erreichen sie mich aber nicht. Zu Beginn habe ich geschrieben, dass ich Werbung mag. Inzwischen ist klar: kann sein, aber definitiv nicht per Post. Also wo und wie dann?
Von den vier unerwünscht zugestellten Werbungen befanden sich drei mehrseitige Flyer von drei verschiedenen Pizzerien sowie ein zweiseitig bedruckter Flyer für ein Modegeschäft. Beim Modegeschäft musste ich erst einmal die abgedruckten Wörter googlen, was sie überhaupt zu bedeuten haben und musste feststellen: Streuverlust = 100%.
Bei den Pizzerien verhält es sich ein wenig anders. In den letzten zwei Jahren habe ich immerhin schon fünfmal einen solchen Lieferservice in Anspruch genommen, jedoch kein einziges Mal aufgrund eines Flyers in der Post. Ich zahle für einen Internetanschluss und daher nutze ich auch gerne die Möglichkeit, aktuelle Angebote der Pizzadienste online zu vergleichen, anstatt auf bis dahin meist veraltete Karten zu setzen. Wenn es dann die Pizzeria von nebenan aber nicht einmal schafft, einen kostenlosen Google Maps Eintrag vorzunehmen (mir aber den Briefkasten mit hässlichen Flyern zumüllt), muss ich ehrlich sagen: selber schuld. Es gibt 50 Meter weiter ein Unternehmen, das das schafft. Das nehm‘ ich. Und wenn die Qualität und das Preis-Leistungsverhältnis stimmt, gerne auch wieder. Online gleich bestellbar? Noch besser. Auch per Handy dank angepasster Webseite? Super!
Vor allem die Kleinunternehmer sollten zusehen, dort gefunden zu werden, wo sie gesucht werden: im Netz. Und wenn sie Produkte anbieten, die ich nicht suchen würde, weil ich sie (vermeintlich) nicht brauche: dann ist das gefragt, was ich Kreativität nennen würde. Und unter kreativ verstehe ich nicht einen zweiseitig bedruckten Zettel im Briefkasten. Unter kreativ verstehe ich, neue Plattformen auszuprobieren, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, Aktionen zu entwickeln, die Aufmerksamkeit erzeugen. Ich suche Geschenke für Freunde? mywish.is versucht mir sinnvolle Vorschläge zu präsentieren; auf einer Datenbasis, die Einzelhändler mit einpflegen. Ich will am Abend weggehen und weiß nicht wohin? Die gut bewertete Bar, die ich in Google Maps finde, werde ich gerne mal ausprobieren und mir selbst ein Bild machen! Ich lese einen Artikel einer Online-Zeitung und darunter steht: „Dieser Beitrag wird finanziell unterstützt von Unternehmen z“ inkl. Verlinkung? Gerne und lieber als blinkende Banner, die mich vom Inhalt während des Lesens ablenken!
An die Unternehmen: kommt weg von den veralteten und vor allem nervigen Arten der Werbung, bringt frischen Wind in die Branche, die Möglichkeiten sind vielfältiger denn je.
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